Sich erklären müssen

„Ich muss mich immer erklären“ Der stille Schmerz dahinter und wie gesunde Kommunikation gelingt

Einleitung

Kennst du das Gefühl, dich immer erklären zu müssen? Du sagst etwas und schon hast du das Bedürfnis, es näher zu begründen, zu relativieren oder dich zu rechtfertigen. Es ist, als würdest du dich ständig dafür entschuldigen, wie du denkst, fühlst oder handelst. Dieses innere Muster ist oft ein stiller Begleiter von Menschen, die viel Rücksicht nehmen, Harmonie suchen oder in ihrer Vergangenheit gelernt haben, dass sie sich nur dann sicher fühlen, wenn sie verstanden werden.

Besonders „hochsensible Menschen“ kennen diesen inneren Druck nur zu gut. Sie nehmen Stimmungen intensiver wahr, denken vielschichtiger und spüren selbst kleinste Veränderungen in der Kommunikation. Das führt oft dazu, dass sie sich überanpassen oder übererklären, aus Angst, missverstanden zu werden oder ungewollt Konflikte auszulösen. Dabei verlieren sie nicht selten das Gefühl für ihre eigenen Grenzen. Was als Versuch beginnt, Nähe und Klarheit zu schaffen, endet oft in Erschöpfung und Selbstzweifeln.

Doch zwischen „erklären“ und „sich mitteilen“ liegt ein bedeutender Unterschied. Wer erklärt, möchte meist Klarheit schaffen, für sich selbst oder für andere. Oft steckt dahinter aber auch das stille Bedürfnis nach „Anerkennung, Verständnis oder Akzeptanz“. Wer sich mitteilt, bringt einfach zum Ausdruck, was in ihm lebt, ohne sich zu rechtfertigen oder überzeugen zu wollen. Es ist eine Form der Kommunikation, die auf „Selbstrespekt“ und „innerer Klarheit“ basiert.

In diesem Beitrag werfen wir einen genauen Blick auf die verschiedenen Bedeutungen von „erklären“ und „sich mitteilen“, auf die feinen Unterschiede in der Kommunikation und auf die emotionale Last, die das ständige Erklären mit sich bringen kann. Du erfährst, wann es sinnvoll ist, sich mitzuteilen, und wann es wichtig ist, „Grenzen zu setzen“, statt dich immer wieder erklären zu müssen. Denn wahre Verbindung braucht nicht immer Worte, aber sie braucht Ehrlichkeit, inneren Halt und den Mut, dich selbst ernst zu nehmen.

„Erklären oder sich mitteilen? – Zwei ähnliche Wege, aber unterschiedliche Richtungen“

Was auf den ersten Blick wie ein sprachlicher Feinschliff wirkt, hat in der Tiefe weitreichende Auswirkungen auf unser emotionales Erleben und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen. Der Unterschied zwischen „erklären“ und „sich mitteilen“ liegt nicht nur in der Wortwahl, er betrifft unsere Haltung, unsere innere Sicherheit und unsere Kommunikationsmuster.

1. Erklären – der Versuch, verstanden zu werden

„Erklären“ ist oft der Versuch, den eigenen Standpunkt „verständlich zu machen“. Es bedeutet: Ich möchte, dass du meine Sichtweise nachvollziehen kannst. Ich zeige dir die Gründe hinter meinem Verhalten oder meinen Gedanken. Das ist an sich nichts Negatives, Erklärungen sind ein wertvoller Bestandteil der Kommunikation. Doch problematisch wird es, wenn das Erklären nicht freiwillig geschieht, sondern aus einem „Gefühl von Druck oder Rechtfertigungszwang“ entsteht.

Typische Sätze, die aus dieser Haltung kommen, lauten zum Beispiel:

– „Ich habe das doch nur gesagt, weil ich nicht wusste, wie du reagierst.“

– „Ich wollte dich nicht verletzen, es war wirklich nicht so gemeint.“

– „Ich hatte einfach einen stressigen Tag, deshalb war ich so kurz angebunden.“

Hier geht es nicht nur um Information, es geht um das „Sichern von Beziehung“, um das Bedürfnis nach „Verstandenwerden und innerer Beruhigung“. Viele Menschen, vor allem hochsensible, rutschen automatisch in solche Erklärungsschleifen, selbst wenn niemand sie direkt darum bittet. Warum?

Weil sie gelernt haben, dass „Missverständnisse gefährlich sein können“. Weil sie mit Ablehnung, Unmut oder Rückzug rechnen, wenn ihr Verhalten nicht genau nachvollzogen wird. Und weil sie das Gefühl haben, dass sie „nur dann okay sind“, wenn andere sie vollständig verstehen. Erklären wird zur „Überlebensstrategie“, zur ständigen inneren Pflicht, alles richtig und nachvollziehbar zu machen.

2. Sich mitteilen – das innere Erleben würdevoll ausdrücken

„Sich mitteilen“ hat eine andere Energie. Es bedeutet: „Ich sage dir, was in mir ist, ohne Anspruch auf Zustimmung, ohne Absicht, dich zu überzeugen. Es ist ein „Akt des Zeigens, nicht des Beweisens“. Ein Mensch, der sich mitteilt, spricht aus der Verbindung zu sich selbst heraus. Er sagt:

– „Ich merke gerade, dass ich verunsichert bin.“

– „Mir ist wichtig, dass meine Entscheidung respektiert wird.“

– „Ich fühle mich unwohl in dieser Situation.“

Hier liegt die Kraft in der „Selbstoffenbarung“, nicht in der Erklärung. Wer sich mitteilt, stellt sich nicht unter die Bewertung des Gegenübers, sondern „steht zu seinem inneren Erleben“. Das wirkt oft ruhiger, klarer, authentischer – und braucht zugleich mehr innere Stabilität. Es erfordert Mut, sich mitzuteilen, ohne sich zu verteidigen oder zu rechtfertigen. Aber es ist auch ein Weg zu echter Verbindung, weil es „keine Verteidigung, sondern Begegnung ermöglicht“.

3. Die Falle: Wenn Erklären zur ständigen Selbstrechtfertigung wird

Gerade hochsensible oder harmoniebedürftige Menschen haben oft ein feines Gespür dafür, ob etwas unausgesprochen im Raum steht. Dieses Gespür kann jedoch zur Belastung werden, wenn daraus ein reflexartiges Erklären entsteht – selbst dann, wenn das Gegenüber gar keine Erklärung verlangt.

Dieses Verhalten kann langfristig:

– zu „emotionaler Erschöpfung“ führen,  

– das Gefühl verstärken, „nicht okay zu sein“,  

– die eigene Selbstachtung untergraben,  

– „Grenzen verschwimmen lassen“, weil ständig um Verständnis geworben wird.

Und noch etwas: Wer sich ständig erklärt, nimmt dem Gegenüber manchmal die Chance, „selbst nachzufragen, selbst zu reflektieren oder selbst in Beziehung zu treten“. Es entsteht ein Ungleichgewicht, eine Einbahnstraße der Kommunikation, in der man sich selbst immer mehr verliert.

4. Wann ist Erklären sinnvoll – und wann ist es besser, dich einfach mitzuteilen?

„Erklären ist sinnvoll“, wenn:

– du in einem sachlichen Kontext Klarheit schaffen willst,  

– ein echtes Missverständnis ausgeräumt werden soll,  

– du das Gefühl hast, dass deine Erklärung dem anderen wirklich hilft, dich besser zu verstehen.

„Sich mitteilen ist hilfreich“, wenn:

– du innerlich ruhig bist und bei dir bleiben möchtest,  

– du deine Wahrheit sagen willst, ohne dich zu rechtfertigen,  

– du dich emotional zeigen willst, auf Augenhöhe, nicht als Bittsteller.

Beides hat seine Berechtigung, doch die innere Haltung entscheidet darüber, ob du dich „frei und würdevoll, ausdrückst oder ob du dich selbst in eine ständige Verteidigungsposition bringst

Wann du aufhören darfst, dich zu erklären

Es gibt Momente, in denen wir innerlich spüren: Jetzt ist genug erklärt. Mehr wäre nicht hilfreich, sondern ein Verbiegen meiner selbst. Doch viele Menschen, besonders solche, die es gewohnt sind, Rücksicht zu nehmen oder Harmonie aufrechtzuerhalten, ignorieren dieses Gefühl. Sie reden weiter, suchen nach noch besseren Formulierungen, hoffen auf Einsicht beim Gegenüber und verlieren sich dabei immer weiter.

„Abgrenzung bedeutet in diesem Zusammenhang nicht Rückzug oder Kälte“, sondern die liebevolle Entscheidung, „bei sich zu bleiben“, auch wenn das Gegenüber (noch) nicht alles versteht. Es bedeutet, sich selbst nicht ständig in Frage zu stellen, nur weil ein anderer eine andere Perspektive hat.

Woran du erkennst, dass du dich zu viel erklärst 

Hier einige Anzeichen, dass du eine Grenze überschreitest, deine eigene oder die eines anderen:
– Du fühlst dich „ausgelaugt“ nach Gesprächen, obwohl es „nur ein Missverständnis“ war.  
– Du „spürst innerlich Widerstand“, erklärst aber trotzdem weiter.  
– Du merkst, dass du „immer wieder dieselben Dinge erklärst“, ohne dass sich wirklich etwas verändert.  
– Du erklärst dich, obwohl „niemand gefragt hat“.  
– Du hast das Gefühl, dass deine Erklärungen „nicht respektvoll aufgenommen“, sondern nur still beurteilt oder sogar gegen dich verwendet werden.

In solchen Momenten lohnt es sich, innezuhalten und zu fragen:  „Erkläre ich gerade, um Verbindung zu schaffen, oder um mir selbst die Erlaubnis zu geben, so zu sein, wie ich bin?“

Praktische Beispiele für gesunde Abgrenzung:

Beispiel 1: Berufliche Situation  
Du arbeitest im Team und entscheidest dich, eine Aufgabe abzugeben, weil du deine Kapazitäten kennst.  
Statt:  
„Ich gebe die Aufgabe ab, weil ich gestern schon Überstunden gemacht habe, und dann war ich noch bei meiner kranken Mutter, und…“  

Ein gesunder Satz wäre:  „Ich gebe diese Aufgabe ab, weil ich gerade Prioritäten setzen muss. Wenn Fragen dazu sind, stehe ich zur Verfügung.“

Beispiel 2: Familie  
Du sagst bei einem Treffen ab, weil du Zeit für dich brauchst.  
Statt:  
„Es tut mir leid, aber ich bin einfach so müde, und ich hab wirklich alles versucht…“  

Ein klarer Satz könnte lauten:  
„Ich komme heute nicht. Ich brauche Zeit für mich. Ich freue mich, beim nächsten Mal wieder dabei zu sein.“

Beispiel 3: Freundschaft oder Beziehung
Du äußerst ein Bedürfnis, zum Beispiel nach mehr Rückzug oder Ruhe.  
Statt:  
„Ich will dich nicht verletzen, aber ich brauche manchmal einfach Zeit für mich, weil sonst…“  

Könnte deine Haltung sein:  „Mir ist Zeit für mich wichtig. Das hat nichts mit dir zu tun, sondern mit mir.“

In allen Beispielen geht es nicht darum, kalt oder egoistisch zu wirken, sondern „klar, ehrlich und selbstfürsorglich“ zu sprechen. Die Erfahrung zeigt: Menschen, die dich wirklich respektieren, kommen mit dieser Klarheit gut zurecht. Die anderen, die dich nur dann akzeptieren, wenn du dich verbiegst, zeigen dir durch ihre Reaktion, wo du lernen darfst, noch klarer bei dir zu bleiben.

„Grenzen setzen heißt auch: Dem Schweigen Raum geben“
Ein häufig übersehener Teil der Abgrenzung ist das Aushalten von „Unklarheit oder Irritation“ beim Gegenüber. Wenn du aufhörst zu erklären, entsteht manchmal eine kurze Spannung, ein Moment, in dem der andere vielleicht nicht sofort weiß, wie er reagieren soll. Doch gerade in diesem Schweigen liegt oft eine Chance: für Reifung, für Reflexion, für ein ehrliches Miteinander.

Du darfst lernen, „nicht alles aufzulösen“, was sich unangenehm anfühlt.  
Du darfst lernen, dass „deine Würde nicht davon abhängt, ob alle dich verstehen“.  
Und du darfst erleben, wie befreiend es ist, „dich nicht mehr selbst zu verraten“, nur um einen Moment der Unsicherheit zu vermeiden.

Fazit dieses Abschnitts:  
Es ist ein Akt der Selbstachtung, zu spüren: „Jetzt ist genug erklärt.„ Die Grenze verläuft nicht dort, wo alle dich verstehen, sondern dort, wo du dich selbst noch fühlen kannst. Und manchmal ist das mutigste, was du sagen kannst: „Ich muss das nicht erklären. Es ist einfach so.“

Du musst dich nicht immer erklären – aber du darfst dich zeigen

Wenn du dich beim Lesen dieses Beitrags oft wiedererkannt hast, wenn du spürst, wie oft du dich erklärst, rechtfertigst oder deine Worte glättest, nur um keinen Konflikt auszulösen, dann bist du nicht allein. Und: Du musst diesen Weg nicht alleine weitergehen.

Vielleicht möchtest du lernen, wie du klarer bei dir bleibst, wie du dich mitteilst, ohne dich zu verteidigen, und wie du in schwierigen Gesprächen Grenzen setzen kannst, ohne dich schlecht zu fühlen. Genau dafür biete ich „persönliche Begleitung“ an.

„Wenn du magst, begleite ich dich in einem Beratungsgespräch“, ein geschützter Raum, in dem du alles sagen darfst, ohne dich zu rechtfertigen.  

Melde dich gerne zu einem Beratungsgespräch an. Gemeinsam schauen wir, was dir gerade wirklich guttut, und wie du liebevoller mit dir selbst kommunizieren kannst.

Selbsttest: Wie oft erklärst du dich – und warum?

Nimm dir ein paar ruhige Minuten Zeit und beantworte die folgenden Aussagen ganz ehrlich für dich. Notiere dir spontan, was in dir auftaucht – ohne zu werten.

1. Ich erkläre mich oft, auch wenn niemand danach fragt.
2. Ich habe Angst, missverstanden zu werden.
3. Ich spüre inneren Druck, meine Entscheidungen zu begründen.
4. Ich versuche, Gespräche „glatt“ zu halten – auch wenn es mir dabei nicht gutgeht.
5. Ich fühle mich schuldig, wenn andere mich nicht verstehen oder verletzt reagieren.  
6. Ich wünsche mir, einfach nur sagen zu können, was in mir ist – ohne Diskussion.  
7. Ich spüre oft nach Gesprächen Erschöpfung, weil ich so viel erklärt habe.  8. Ich habe selten das Gefühl, dass mein Inneres einfach *genug* ist – ohne Begründung.

Auswertung:  

– Wenn du mehr als 4 Aussagen mit „Ja“ beantwortest, lohnt es sich, liebevoll auf deine Kommunikationsmuster zu schauen.  
– Vielleicht hast du gelernt, dich über Anpassung oder Harmonie abzusichern, doch dein Bedürfnis nach „Respekt, Klarheit und innerer Ruhe“ verdient einen neuen Platz.  
– Der erste Schritt ist nicht, alles sofort zu ändern, sondern dich „ernst zu nehmen in dem, was du fühlst.„

Wenn du magst, begleite ich dich auf deinem Weg zu einer Kommunikation, in der du „nicht beweisen musst, dass du richtig bist“, sondern einfach da sein darfst, so wie du bist.

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